Was fühlen Männer, wenn Frauen weinen?
Emotionen kochen über – und Tränen fließen. Oft fühlen wir uns dann dem Partner oder der Partnerin gegenüber hilflos. Was können wir tun, um unseren Herzensmenschen zu trösten? Das Klischee behauptet, vor allem Männer fühlten sich dann hilflos und wüssten nicht so recht weiter. Aber stimmt das?
Warum weinen Frauen?
Zunächst: Alle Menschen weinen. Wie viele andere Spezies auch produzieren wir Tränenflüssigkeit, um Schmutz und Staub aus den Augen zu befördern und die Augäpfel zu befeuchten.
Aber darum geht es ja gar nicht, sondern um emotionale Tränen. Damit sind wir als Spezies ziemlich einzigartig. Nach bisherigem Stand weint keine andere Tierart aus emotionalen Gründen. Nur wir Menschen.
Und Frauen? Sie weinen im Schnitt deutlich häufiger als Männer.
Und das aus vielfältigen Gründen:
- Glück
- Trauer
- gefühlte eigene Unzulänglichkeiten
- Konfliktmomente
- Erinnerungen an vergangene Erlebnisse
- Überanstrengung und emotionale Erschöpfung
Achtung, Klischee: Frauen weinen wegen unterschiedlicher Dinge. Und nicht immer ist der aktuelle Mann in ihrem Leben an ihren Tränen schuld. Wenn deine Partnerin oder eine dir nahestehende Frau also vor dir weint, hat das nicht zwangsläufig etwas mit dir zu tun! Das bedeutet aber auch nicht, dass es dich nichts angeht.
Und um die Perspektive zu wechseln: Wenn du vor deinem Partner weinst, kann ihn das je nach Situation völlig unvorbereitet treffen. Ohne offensichtliche Auslöser sind Frauentränen für viele Männer eine ziemliche Überraschung.
Tipp: Die Hormone sind übrigens höchstens bei Schwangeren ein verstärkender Faktor. Bei ihnen sind die Hormonlevel tatsächlich deutlich aktiver und können für einen schnelleren Tränenfluss sorgen.
Was fühlen Männer, wenn Frauen weinen?
Hilflosigkeit scheint die dominierende Reaktion zu sein. Die Tränen der Liebsten lösen eine Stressreaktion aus. Der Blutdruck steigt, das Adrenalinlevel ebenfalls. Unsere Körper machen sich bereit für Kampf oder Flucht, die ablaufenden Instinkte sind tief in der evolutionären Menschheitsgeschichte verwurzelt. Nur müssen Tränen eben nicht bekämpft werden. Und Flucht ist auch eher ungünstig.
Wenn du deiner Partnerin in tränenreichen Momenten künftig besser beistehen willst, lohnt ein kurzer Blick in deine eigene Gefühlswelt:
- Was lösen ihre Tränen bei dir aus?
- Fühlst du dich unter Druck gesetzt oder manipuliert?
- Gehst du automatisch auf Ausweichkurs und blockst die Gefühle ab?
- Bist du dir unsicher, ob sie gerade berührt werden möchte?
Nichts davon hat im ersten Schritt mit dem Auslöser für das Weinen zu tun. Aber viel damit, wie es im nächsten Schritt weitergeht!
Wenn Tränen vor allem Gefühle wie Misstrauen und Abneigung auslösen, kann das ein Hinweis auf eigene unterdrückte Emotionen sein. Statt deine Partnerin zu trösten, bist du mit deinen eigenen Gefühlen beschäftigt – und das wiederum hilft deiner weinenden Partnerin kein Stück weiter.
Natürlich kann es auch eine ganz rationale Wahrnehmung im Umgang mit Personen sein, die Gefühlsäußerungen tatsächlich im Rahmen einer emotionalen Erpressung einsetzen. Aber dann liegt schon einiges andere im Argen.
Aufkommende eigene Gefühle abzublocken ist dagegen ein Schutzmechanismus. Kommst du als Mann nicht gegen eine innere Mauer an, die dich davon abhält, deine Freundin zu trösten? Gab es in deiner Vergangenheit Situationen, in denen du für Mitgefühl, Trost oder eine gefühlvolle Reaktion angegangen wurdest? Dann wird es Zeit, sich davon zu lösen.
Um es ganz deutlich zu sagen: Tränen sind kein Zeichen von Schwäche. Und Trost anzubieten auch nicht. Beides sind starke Signale, die die emotionale Verbundenheit eines Paares zeigen.
Den richtigen Weg beim Trösten muss jedes Paar für sich allein finden. Eine feste Umarmung kann es fast immer richten. Aber: Nicht jede Frau möchte das in dem Moment. Also frag nach. Vielleicht ist es besser, wenn du in dem Moment einfach nur für sie da bist.
Wichtig: Humor hilft bei vielem. In angespannten Situationen kann es eine gute Strategie sein – oder auch nicht. Hier ist wirklich Fingerspitzengefühl erforderlich. Wenn du dir unsicher bist, ob eine humorvolle Einlage eine gute Idee sein könnte, lass es lieber bleiben. Denn dann ist es das in dem Moment wahrscheinlich nicht.
Was es bedeutet, vor jemandem zu weinen
In eher distanzierteren Kulturen wie unserer sind Gefühlsausbrüche nicht unbedingt häufig. Oder, ganz konkret: Überschwängliche Freude ist ok, starke Trauer wird eher versteckt. Deshalb stellt sich bei Freudentränen kaum jemand an, aber Tränen der anderen Art werden schnell unterdrückt. Oft aus Angst, dass sie unpassend wirken könnten. Das gilt vor allem für den beruflichen Kontext. Aber auch, weil sie immer noch mit Schwäche assoziiert werden.
Wenn deine Freundin vor dir weint, macht sie sich verletzlich. Ihre Gefühle treten roh und ungezügelt an die Oberfläche. Plus: rote, geschwollene Augen, die laufende Nase und die kratzige Stimme. Die ungeschminkte, verweinte Wahrheit ist nichts, was sich so einfach verstecken lässt.
Sich soweit zu öffnen, ist ein Punkt für die Tiefe der Beziehung – und die Kraft der Emotionen dahinter.
Und wie finden Frauen das?
Wenn dein Partner dich in solchen Situationen nicht wirklich tröstet, vielleicht sogar Witze reißt oder ein Eisklotz zu sein scheint, kann das seiner Hilflosigkeit geschuldet sein. Und dann gilt es natürlich, daran zu arbeiten.
Sprich das am besten in einem ruhigen Moment an, wenn deine Tränen versiegt sind:
- Ich fühle mich nicht wahrgenommen, wenn du einfach so tust, als wäre nichts, während ich weine …
- Ich möchte gern, dass du mich in den Arm nimmst, wenn ich weine …
- Wenn du Witze reißt, während ich wegen (Wut, Trauer, Verzweiflung) weine, fühle ich mich nicht ernst genommen. Das verletzt mich …
Und dann besprecht, was stattdessen besser wäre. Manche Paare verabreden eine Art Codewort speziell für kritische Momente in Diskussionen. Wenn sie den Tränen nahe ist, signalisiert das Codewort dann, dass sie schlicht wütend ist – und die Auseinandersetzung nach zwei bis drei tiefen Atemzügen wieder aufnehmen kann.
Im Laufe der Zeit entwickeln Paare eine ganz eigene Herangehensweise, wie sie mit Gefühlsausbrüchen und intensiven Emotionen umgehen. Wichtig für eine dauerhaft glückliche Beziehung ist nur, dass sich beide am Ende nicht herabgesetzt oder manipuliert fühlen.
Hilfe! Sie weint und ich weiß nicht warum
Das kommt vor. Wie immer gilt: Kommunikation ist alles! Vor allem dann, wenn dich ihr Weinen unvorbereitet trifft.
- Non-verbale Kommunikation wie Körpersprache und Aufmerksamkeit
Handy weg, Fernseher aus, Laptop zu. Wende dich ihr auch körperlich zu, überbrücke größere Abstände und biete ihr eine Umarmung an. Dabei gelangst du ins klassische Tun – kannst also handeln und deine eigene Hilflosigkeit überwinden. - Verbale Kommunikation und Trost
Manche Menschen können kaum sprechen, wenn sie weinen. Anderen gelingt es aber. Also frag zunächst, was passiert ist. Wenn sie kann, wird sie dich über den Grund für ihre Tränen aufklären. Unterbrich sie nicht, höre ihr genau zu – und bring danach in Erfahrung, welche Form von Unterstützung sie braucht.
Ihr seid noch nicht sehr lange zusammen? Dann ist es ganz hilfreich, sich in einer ruhigen Minute darüber auszutauschen, was ihr im Falle von emotionalen Ausnahmesituationen voneinander braucht.
Bewährt haben sich für solche Grundsatzgespräche Fragen wie:
- Willst du es einfach rauslassen, brauchst du mich als Zuhörer oder eine starke Schulter zum Anlehnen?
- Willst du Ideen oder Lösungsvorschläge, um dich aus dem Weinen herausholen zu können?
- Darf ich dich in den Arm nehmen oder brauchst du Abstand?
In einer frischen Partnerschaft sind solche Dinge neu – und erfordern besonders viel Einfühlungsvermögen. Du kennst dich am besten. Wenn du also bereits weißt, dass du in emotionalen Ausnahmezuständen schnell in Tränen ausbrichst, ist vielleicht eine kurze Vorwarnung an deinen neuen Partner sinnvoll.
Sie weint wegen mir – und jetzt?
Es ist nicht der Job, es ist kein Streit mit der besten Freundin und es sind auch keine Freudentränen, weil das Leben so wunderbar ist – sondern es sind Tränen deinetwegen. Was genau passiert ist, weißt du hoffentlich. Falls nicht, frag in einem geeigneten Moment nach.
Aber erstmal: Tröste sie! Körperkontakt, ungeteilte Aufmerksamkeit oder fünf Minuten allein zum Durchatmen sind meist ein guter Start. Finde heraus, ob du besser nur zuhörst – und dich dann entschuldigst – oder direkt etwas tun solltest.
Wenn du nicht so genau weißt, was du in solchen Momenten sagen sollst, versuche es mit einfachen, klaren und bestärkenden Formulierungen wie:
- Es tut mir leid, dass ich (…) nicht beachtet habe. Ich werde künftig darauf achten.
- Ich sehe, dass dir das sehr zu schaffen macht und es tut mir leid, dass ich dich mit (…) verletzt habe.
- Ich verstehe, dass (…) etwas ist, das dich traurig macht. Wir finden eine Lösung, damit das nicht wieder vorkommt.
3 Fakten und 1 Mythos zum Weinen
Fakt #1: Tränenflüssigkeit ist unterschiedlich zusammengesetzt.
Freudentränen, Trauertränen, Tränen aus Einsamkeit oder aus Wut sind anders zusammengesetzt als die, die unsere Augen von Staub befreien und vor Austrocknung schützen.
Forscher aus Israel wollen in einem Experiment sogar nachgewiesen haben, dass echte Frauentränen bei Männern das Aggressionslevel sowie die sexuelle Erregbarkeit senken können. Leider konnte das Experiment nicht mit Männertränen überprüft werden – es fanden sich nicht genug männliche Probanden für eine ausreichend große Testgruppe, die für das Experiment weinen würden.
[Quelle: https://sciencev2.orf.at/stories/1672651/index.html & https://www.science.org/doi/10.1126/science.1198331]
Fakt #2: Männer und Frauen weinen unterschiedlich oft.
Bis zur Pubertät weinen Jungen und Mädchen noch ungefähr gleich oft. Erst danach scheiden sich die Geschlechter. Während Frauen rund 30 bis 64 Mal weinen, lassen Männer ihren Tränen höchstens noch 6 bis 17 Mal freien Lauf. Pro Jahr!
Und warum? Weil die gesellschaftliche Prägung Tränen beim Mann noch immer als Schwäche ansieht. Obwohl wir doch wissen: Emotionen zu zeigen ist eben keine Schwäche!
Fakt #3: Frauen weinen auch vor Wut.
Frauen weinen nur, wenn sie glücklich oder traurig sind? Mitnichten! Viele Frauen können ein Lied davon singen: In Konfliktsituationen brechen sie schnell in Tränen aus, die Stimme versagt und die Konfliktlösung wird mangels Kommunikation schwierig.
Auch hier ist die Sozialisation beteiligt: Mädchen werden eher dazu erzogen, Wut als Emotion zu verbergen. Bei heftigen Diskussionen macht sich das bemerkbar – die Wut kann aber nicht immer richtig transportiert werden. Stattdessen fließen Tränen.
Mythos: Tränen werden vor allem von Frauen manipulativ eingesetzt.
Du kennst den Vorwurf bestimmt: Frauen weinen vor allem, um ihren Willen durchzusetzen. Vor allem in der Großelterngeneration ist diese unbewusste Haltung noch spürbar.
Die wissenschaftliche Forschung kann das aber gar nicht bestätigen! Ganz im Gegenteil sind die meisten Menschen zum Weinen lieber allein. Wenn wir vor anderen weinen, dann meist in der Gruppe. Emotionale Situationen wie Anträge, Hochzeiten oder Beerdigungen rühren uns besonders häufig zu Tränen.
Der Vorwurf, vor allem Frauen nutzten ihre Tränen zur emotionalen Erpressung, ist ein Mythos.